Fembacher antwortet
Joe Kaeser ist Aufsichtsratsvorsitzender der Siemens Energy AG und hat am 20. 2. 2025 deren Hauptversammlung geleitet. Ich bin Werner Fembacher und habe in dieser Hauptversammlung für die Belegschaftsaktionäre eine Rede gehalten, die Sie hier nachlesen können. Moderne Online-Kooperation macht es möglich, dass meine Rede das Ergebnis vieler Beiträge unserer Mitglieder ist. Die Rede ist voll des Lobes für Vorstand und Aufsichtsrat. Joe Kaeser hat jedoch die eine oder andere Spitze entdeckt, und sich zu der Bemerkung hinreißen lassen: "Wenn Sie den Fembacher mal wieder sehen, dann fragen Sie ihn doch, warum es wohl den WfS gibt (...)"
Dazu muss man wissen, WfS ist ein Verein, der ebenfalls die Stimmen der Belegschaftsaktionäre sammelt und vertritt. Initiiert wurde WfS als Konkurrenz zu unserem Verein von der heutigen Siemens-GBR-Vorsitzenden Birgit Steinborn und dem damaligen GBR-Mitglied Robert Kensbock in Abstimmung mit der IG Metall-Führung. Robert Kensbock ist jetzt stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei Siemens Energy. Seither wird WfS von Siemensaufsichtsräten der Arbeitnehmerseite unterstützt. In Betriebsratsversammlungen und Fortbildungsveranstaltungen für Betriebsräte bekommt WfS als gewerkschaftsnah eine Bühne geboten.
Offensichtlich gab es eine Unzufriedenheit mit dem 1994 gegründeten Verein von Belegschaftsaktionären, für den ich gesprochen hatte, die schließlich zur Gründung des Konkurrenzvereins führte. Der Kernpunkt dieser Unzufriedenheit war und ist, dass die Belegschaftsaktionäre eine Unabhängigkeit von den Arbeitnehmeraufsichtsräten und dem GBR für geboten halten. Dieser Forderung nach Unabhängigkeit wird eine gewerkschaftsfeindliche Note unterstellt. Das ist aber eine Fehleinschätzung: die meisten unserer Mitglieder sind selbst oft seit Jahrzehnten Mitglieder der IG Metall.
Hinter der Gründung des Vereins WfS steckt auch die Grundüberlegung, dass Arbeitnehmervertreter geschlossen auftreten müssen. An einem Beispiel möchte ich veranschaulichen, wieso man das so sehen kann: Ausgliederung und Verkauf von Innomotics haben Gewerkschaft, Arbeitnehmervertreter und wir gleichermaßen kritisiert. Die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat hat dem Verkauf dennoch zugestimmt. Sie hatte faktisch auch keine andere Wahl, weil bei Stimmengleichheit der Aufsichtsratsvorsitzende den Ausschlag gibt. In solchen Fällen ist es besser, das Harmoniebedürfnis des Gremiums auszunutzen und im Gegenzug eine gute Überleitungsvereinbarung auszuhandeln. Wir haben deshalb die Zustimmung nicht kritisiert, wir bleiben gleichwohl bei unserer Kritik zur Ausgliederung. An diesem Punkt tritt eine Verwundbarkeit der Arbeitnehmervertreter ins Spiel, schließlich haben sie einer Sache zugestimmt, die sie selbst ablehnen. Wenn wir die Sache unterkomplex beurteilen würden, könnten wir damit den Arbeitnehmervertretern an den Karren fahren.
Allerdings hatten wir die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat selbst dann nicht kritisiert, wenn sie vermeidbarem Unsinn zugestimmt hatten: Als Beispiel wähle ich das Siemens Financial Framework des Joe Kaeser. Als Steuerungsgröße für die unternehmensinterne Kapitalallokation wurde einzig und allein die Marge als Kenngröße herangezogen. Das ist fatal, weil dadurch Segmente mit geringer Marge austrocknen. Strategische Bedeutung dieser Segmente oder andere Überlegungen haben bei dem eindimensionalen Blick auf die Marge keinen Platz. Das hat dazu geführt, dass selbst einige Betriebsräte von Siemens Energy froh waren, ausgegliedert zu werden, weil sie in der Siemens AG keine Zukunft mehr sahen, da ihre Arbeitsgebiete die geforderten Margen nicht liefern konnten.
Unsere erste öffentliche Kritik an den Arbeitnehmern im Siemensaufsichtsrat äußerten wir im Februar 2025, indem wir ihnen die Entlastung wegen ihrer Zustimmung zum Kauf von Altair verweigerten. Dieser Kauf ist nicht nur betriebswirtschaftlich eine Katastrophe, er ist es auch für die Arbeitnehmer im Segment Digital Industries. Und wir sehen keinen Grund, der eine Zustimmung der Arbeitnehmer rechtfertigen könnte. WfS hat im Gegensatz zu den Belegschaftsaktionären den Kauf begrüßt. Die Zukunft wird zeigen, wer Recht hat.
Warum ist Joe Kaeser not amused? Der Vorstand von Siemens Energy kündigt nun Margenbänder an, die unter Joe Kaeser in der Siemens AG unerreichbar schienen. Das Steuerungssystem, das dies ermöglicht, sind sogenannte Performance Indikators (PIs), die so gewählt wurden, dass ein Gleichgewicht zwischen den Faktoren Wachstum, Profitabilität und Liquidität gesucht wird. Damit kann man auch margenschwache Tätigkeitsfelder entwickeln, wenn man sie für wichtig hält. Das explizite Lob dieser PIs war natürlich ein Seitenhieb auf Joe Kaeser und dieser Hieb wurde verstanden.
Auch der zweite Seitenhieb wurde verstanden. Dabei geht es um die Vermarktung des Namens Siemens. Joe Kaeser ließ als Siemensvorstandsvorsitzender den Namen Siemens von Agenturen bewerten und gründete eine Gesellschaft, die das Namensrecht vermarktet. So konnte er einen Bilanzgewinn aus dem Hut zaubern und mit den nun folgenden Lizenzzahlungen sogar echtes Geld fließen lassen. Siemens Energy musste im GJ 2024 für die Nutzung des Namens 270 Millionen Euro an Lizenzgebühren an die Siemens AG zahlen.
Also, ich kann nachvollziehen, dass meine Sticheleien Joe Kaeser ärgern und ich verstehe, dass er es lieber sehen würde, damit nicht konfrontiert zu werden. Allerdings wirkt es unprofessionell, dass er seine Affinität zum Verein WfS nicht einhegen kann.
Unsere Forderung nach Unabhängigkeit ist eine Grundforderung für Kontrollorgane. Die Aktionäre kontrollieren den Aufsichtsrat und es entspricht dem Demokratieverständnis, aber auch den Vorgaben des Aktiengesetzes, dass Aufsichtsräte sich nicht an der Bündelung von Stimmen beteiligen. Es stimmt, ein unabhängiger Verein könnte von GBR und Aufsichtsrat mühsam ausgehandelte Kompromisse unfair kritisieren. Arbeitnehmervertreter haben in Deutschland zudem die Vorstellung, dass nur eine Gewerkschaft in einem Betrieb vorhanden sein sollte. Alternative Arbeitnehmervertreter werden teilweise wie „Klassenfeinde“ behandelt. Arbeitgeber sprechen auch lieber mit einer Vertretung als mit vielen, es sei denn, die vielen marginalisieren sich gegenseitig. Ich persönlich glaube, dass der durch das Betriebsverfassungsgesetz gesteckte Aufgabenbereich tatsächlich von einer Gewerkschaft am effektivsten vertreten werden kann. Diese Überlegung auf die Aktionärsrechte der Belegschaftsaktionäre auszudehnen, ist jedoch übergriffig.
Die von Joe Kaeser aufgeworfene Frage ist spannend, ich habe sie nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet. Aus meiner Sicht haben die Initiative zur Gründung des Vereins WfS und sein Ärger nicht die gleichen Gründe, das will ich zur Ehrenrettung der Kolleginnen und Kollegen von WfS anmerken.
Ihr
Dr. Werner Fembacher