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Aufsichtsrat auf Abwegen?

23.2.2024

Aufsichtsrat auf Abwegen?

von Werner Fembacher

Die Siemens Hauptversammlung 2024 hat Werner Brandt für den erkrankten Jim Snabe geleitet und dabei den Pfad der Tugend verlassen. 

Bekanntlich gibt es zwei Siemens-Belegschaftsaktionärsvereine: die 1994 gegründeten Belegschaftsaktionäre und den Verein Wir für Siemens (WfS), der dem Vernehmen nach auf Initiative der GBR-Vorsitzenden gegründet wurde. Über die Motivation, einen weiteren Verein zu gründen, kann man nur mutmaßen, eine Begründung wurde uns nie mitgeteilt. Eine Bemerkung des Versammlungsleiters Werner Brandt ist möglicherweise ein Schlüssel für Verständnis und Motivation: Demnach wurde die Abspaltung von Innomotics mit den Stimmen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gebilligt. Diese Zustimmung kommt in der Öffentlichkeit nicht gut an, wenn man bedenkt, wie vehement sich Mitarbeiter und Gewerkschaft gegen die Ausgliederung aussprachen. Wir Belegschaftsaktionäre haben die Zustimmung dennoch nicht kritisiert, weil aus unserer Sicht die Ausgliederung unvermeidbar war und im Gegenzug gemäß unserer Einschätzung gute Überleitungsbedingungen ausgehandelt werden konnten. Aus anderen Quellen wissen wir, dass die Arbeitnehmervertreter dem Siemens Financial Framework (SFF) zustimmten. Dabei werden Investitionen ausschließlich an Renditeerwartungen geknüpft, was beispielsweise dazu führte, dass Energy keine Zukunft mehr im Konzern hatte, weil vorwiegend in renditestärkere Branchen investiert wurde. Das Siemens Financial Framework haben wir massiv kritisiert, ohne jedoch Ross und Reiter zu nennen. Aus meiner Sicht ist es nachvollziehbar, dass man Kritik an der eigenen Arbeit einhegen will, und es erscheint plausibel, hierin eine Motivation für einen weiteren Belegschaftsaktionärsverein zu sehen. 

Gegen einen zweiten Verein ist grundsätzlich nichts zu sagen, zumal man sich kennt und teilweise über viele Jahre zusammengearbeitet hat. Problematisch wird es, wenn Aufsichtsräte und andere Funktionsträger zugunsten eines Vereins Partei ergreifen. Bei den Aufsichtsräten wird es besonders kritisch, sie werden von den Aktionären kontrolliert. Diese Verschränkung von Macht widerspricht dem Gedanken der Kontrolle und führt zu fragwürdigen Einflussnahmen. Ein Beispiel lieferten die Herren Brandt und Busch, die plötzlich nicht mehr den Namen des Vorsitzenden des einen Vereins richtig aussprechen konnten. Wie planvoll die Vorgehensweise dabei war, zeigt sich darin, dass Herr Brandt auf der Siemens Hauptversammlung WfS vor den Belegschaftsaktionären aufrief. Da üblicherweise die Stimmenanzahl die Reihenfolge festlegt, suggerierte er, dass WfS mehr Stimmen vertritt als die Belegschaftsaktionäre. Tatsächlich hatte WfS gut eine Million Stimmen weniger zu vertreten als der Verein der Belegschaftsaktionäre. Diese Parteilichkeit ist lächerlich und vielleicht auch abwegig.

Werner Fembacher